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Gedenken an die Opfer der Pogromnacht vor 86 Jahren
Gemeinsam gegen das Vergessen
Gemeinsam gegen das Vergessen
Über 200 Bürgerinnen und Bürger versammelten sich am 9. November, um der Opfer der Reichspogromnacht von 1938 zu gedenken. Organisiert vom Runden Tisch Jüdischen Lebens, begann die Veranstaltung am Mahnmal am Darmstädter Schloss mit Ansprachen von Dennis Alfonso Muñoz, Vertreter des Runden Tisches Jüdischen Lebens, und Bürgermeister René Kirch. Anschließend führte ein Rundgang durch die Stadt zur evangelischen Kirche, wo die Gedenkveranstaltung in einer bewegenden Zeremonie ihren Abschluss fand. Musikalisch begleitet wurde die
Zeremonie von der Violinistin Ana Agre, die eigens für diesen Anlass angereist war.
Bürgermeister René Kirch stellte in seiner Rede eine Zeitzeugengeschichte vor, welche ein Großvater an seine Enkel weitergegeben hatte. Dieser erzählte, wie er eines Nachts durch Lärm geweckt wurde und eine alte Dame sah, die verzweifelt in den Scherben ihrer Buchhandlung stand. „Warum tut ihr mir das an?“, fragte sie, „ich habe doch
niemandem etwas zuleide getan.“ Der Großvater erinnerte sich daran, wie die Erwachsenen damals schweigend auf der Straße standen – und wie er selbst ein Leben lang mit der Frage lebte, warum niemand geholfen hatte. Kirch
erklärte: „Diese Hilflosigkeit eines Kindes, das zusehen musste, wie Nachbarn, die es sein Leben lang gekannt hatte, schweigend zusahen – dieses Erlebnis prägten es tief und wurde zu seiner Verpflichtung, niemals wieder zuzulassen, dass ein Mensch so schutzlos, einsam und verletzt bleibt.“
Kirch erinnerte daran, dass die Reichspogromnacht eine der dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte darstellt. „Heute gedenken wir nicht nur Zahlen und Fakten“, führte er fort. „Wir erinnern an Menschen, die Leid und Angst
erfahren haben, weil andere schwiegen. Schweigen darf jedoch niemals eine Option sein. Nur gemeinsam können wir verhindern, dass sich diese Geschichte wiederholt.“ Er betonte, dass die kommende Generation bald keine
Zeitzeugen mehr befragen kann, sowie die gemeinsame Verantwortung, das Wissen weiterzutragen. Kirch dankte im Anschluss allen Beteiligten sowie insbesondere dem Runden Tisch jüdisches Leben, welche die Erinnerung und das Gedenken lebendig halten.
Dennis Alfonso Muñoz mahnte in seiner Rede: „Dieser Tag erinnert uns daran, dass aus Worten Taten werden, dass aus Beleidigungen Gewalt entstehen kann, und dass Hetze am Ende zu Mord führt. Diese Gefahr wächst, wenn der Zusammenhalt einer demokratischen Gesellschaft zerfasert. Der Satz ‚Nie wieder‘ darf nicht nur eine leere Floskel sein. ‚Nie wieder‘ muss gelebt werden – jeden Tag und in jeder Situation, die es notwendig macht.“
Die Veranstaltung ließ die historische Bedeutung des 9. November lebendig werden und betonte, dass das Erinnern an die Ereignisse der Pogromnacht nicht nur eine Gedenkpflicht ist, sondern eine Verpflichtung zur Verteidigung von Menschlichkeit und Zivilcourage in der Gegenwart.
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